Wir sollten hellhörig werden, wenn wieder so viel über »Normalität« gesprochen wird.

Über den Begriff der »Normalität« in Medien und Politik

In diesen Wochen tritt eine Journalistin in einer Vielzahl von Medien auf, umfangreiche Porträts und Interviews wechseln sich ab. Sie spricht dabei erstaunlich oft darüber, wie »normal« sie sei, sie scheint Wert darauf zu legen, dass diese »Normalität« oder auch »Durchschnittlichkeit« eine ihrer wichtigsten Eigenschaften sei.

Die sie porträtierenden Journalist:innen reagierten oft ratlos auf diese Selbstbezeichnung. Ist das ja eigentlich das letzte, was sich ein Medium für seine Porträts wünscht: »Durchschnittlichkeit«.

Die sich so »normal« gebende Journalistin verkauft mit sich selbst ein Narrativ, das die AfD bereits vor wenigen Jahren großflächig plakatierte: »Deutschland. Aber normal.« Auch damals reagierten viele irritiert auf den auf den ersten Blick seltsamen Spruch. Ich behaupte aber einmal: Wer etwas »anders« ist in Deutschland, schwul, of Color, mit Behinderung, trans*, was auch immer, begriff diesen Slogan sofort.

Wir begreifen auch sofort, was auf uns zukommt, wenn »wieder Politik für die Mehrheit der Menschen« gemacht werden soll, wird doch mit dieser Behauptung die eigenwillige Botschaft transportiert, es wäre vorher anders gewesen. Wir begreifen auch sofort, was der bayerische Ministerpräsident transportieren will, wenn er sich bei einer Wurstsemmel nach der anderen filmt. Wer Diskriminierung und Ausgrenzung am eigenen Leib erfahren hat, ist bei einer offensiven Verwendung des Begriffs »normal« sehr sensibel.

Die »Welt« hat vor wenigen Tagen die LGBTQ-Community aufgefordert, »ein wenig leiser« zu sein. In meinem Umfeld habe ich mir in den Nuller- und Zehnerjahren schon anhören müssen, mit einem »zu schrillen« Auftreten würden wir doch nur »unserer Sache schaden«, interessanterweise von einer Frau, der ich als von Diskriminierung betroffener mehr Zurückhaltung beim Victim Blaming zugetraut hätte.

Der Begriff »Normalität« kommt so harmlos statistisch daher, als eine hellblaue Zone in der Mitte der Gaußschen Glockenkurve. Wer ihn aber einsetzt in der Politik, in »konservativen Reportageformaten«, in Meinungsbeiträgen in Medien und auf Hetzportalen, will Menschen ausschließen, will gesellschaftlich spalten, will keine vielfältige und bunte Gesellschaft.