Der Tod ist nicht zu begreifen.

Je mehr ich mich mit dem Tod beschäftige, desto weniger verstehe ich ihn.

Heute ist Totensonntag, und heute vor drei Jahren starb Klaus an Krebs.

Wir sind gezwungen, uns mit dem Phänomen »Tod« zu befassen. In zweierlei Hinsicht, und es ist wichtig, diese zwei Gesichtspunkte zu unterscheiden: Unser eigener Tod, unausweichlich, irgendwann zwischen heute und in sehr vielen Jahren passierend; und der Tod uns wichtiger Menschen. Das eine hat mit dem anderen nicht viel zu tun.

Mit meiner eigenen Sterblichkeit komme ich gut klar, immer schon. Wenn es vorbei ist, ist es vorbei, ich kann gehen. Aber der Tod eines Menschen, der mir etwas bedeutet, der Teil meines Lebens ist, er ist für mich nicht zu begreifen.

Bitte nicht falsch verstehen: Auf einer irgendwo großhirnrindenmäßigen Ebene ist mir natürlich alles klar, ich verstehe Trauern, mit Verlust umgehen, das ganze Programm.

Aber den Tod begreifen? Also: Wirklich begreifen, fassen? Nein.

Ich habe mit ihm gestern noch gesprochen. Er hat mir vor einer Woche noch einen Wikipedia-Artikel, der ihn beschäftigte, vorgelesen. Wir haben vor unserer Leinwand auf dem Sofa im Wohnzimmer gelegen und gemeinsam gelacht und geweint. In der Nacht seines Todes hat er mich um ein Hustenbonbon gebeten, und ich habe eins gefunden aus der Tüte, die wir in unserem letzten Urlaub in einem Dorf auf Texel gekauft haben. Ich habe ihm das erzählt, als ich es auf der Bettkante sitzend auswickle, er lächelt mich an und macht mit einer Geste »Daumen hoch«.

Und dann ist er weg. Er ist einfach: weg.

Wo ist er hin? Wo ist dieser Geist hin? Sein großes Wissen? Seine gefürchtet schlechten Witze? Seine Wärme, seine Lebensklugheit? Ich unterhalte mich immer noch mit ihm – aber spreche ich wirklich mit ihm oder nur mit meiner Erinnerung? Entwickelt er sich noch weiter, lernt er dazu? Ist er noch irgendwo, oder haben sich mein Geist, meine Seele eine Krücke gebaut, um das, was unsere schwer begrenzte Kapazität als Mensch überschreitet, irgendwie und halbwegs fassen zu können?

Mir ist klar, dass wir Religion, Kunst vermutlich entwickelt haben, um uns unendlich mühsam dem nicht begreiflichen Phänomen »Tod« irgendwie nähern zu können. Nur ein paar Zentimeter. Es hilft, aber nicht genügend.

Es ist nicht zu begreifen.