Kleist ist 21, als er erstmals hinschmeißt. Die klassische Karriere für einen jungen, vermögenden Adligen aus gutem Hause ist das Militär, und Kleist hätte dort sicher, Preußens Konflikte hin oder her, ein halbwegs entspanntes Leben führen können.
In seinem Brief an Christian Ernst Martini, seinen alten Hauslehrer, von März 1799, aus dem sich größere Passagen in Kleists Aufsatz über das Glück wiederfinden, versucht Kleist sich auf rührende Art für seinen Entschluss zu rechtfertigen, und vielleicht ist dies der erste Brief, der ihn uns wie ein Zeitgenosse erscheinen lässt.
Der Brief umfasst über 14 Druckseiten, er hat ihn über mehrere Tage geschrieben, und er holt ganz groß aus: Seitenlang versucht Kleist, einen großen Begriff wie das Glück zu definieren und scheitert, auch nach eigenem Dafürhalten. Er versucht über Tugend zu schreiben und schafft es nicht, den Begriff einzugrenzen. Immer wieder ist spürbar: Kleist versucht, seine Kündigung und seinen Entschluss zu studieren vor sich selbst wortreich zu rechtfertigen. Mathematik und Latein gehören zu den Fächern, die ihm vorschweben, Fächer, die schon damals als brotlose Kunst verschrieen sind. Er hat sich bereits von seinen Verwandten einiges dazu anhören müssen, und auch Martini hat ihn gebeten, seinen Entschluss noch einmal zu überdenken. Kleist rechnet seinem Lehrer hoch an, dass er nicht versucht hat, ihn ihm auszureden, man spürt, dass er sich von Martini eher ernstgenommen fühlt als von seinen Verwandten, für die er verblüffend verächtliche Worte findet.
Eine Entscheidung ist das gegen sichere Vollzeitarbeit mit geregelten Rentenansprüchen für ein Leben im Prekariat. Kleist ist zuversichtlich, dass er irgendwie schon Geld verdienen wird, er fühlt sich für nichts zu schade, irgendwie will er sich wohl mit Jobben durchschlagen. Er entscheidet sich gegen eine zielgerichtete Berufsausbildung. Er will ein Studium Generale, keinen schnellen Bachelor in sechs Semestern. Seine Entscheidung ist damals wie heute mutig.
Sein erster Lebensentwurf ist mit 21 gescheitert, der zweite wird es auch tun. Das Suchen nach Halt wird eine der wenigen Konstanten in Kleists Leben bleiben.