And the winner is …

Die Feuilletons laufen sich warm, spätestens zur Leipziger Buchmesse sollen die in diesem Jahr natürlich unvermeidlichen neuen Kleist-Biografien vorliegen. In den ersten Ankündigungen wird zu meinem Bedauern, aber angesichts des zu erwartenden Buches vielleicht nicht ganz unerwartet ein bei Amazon bereits tapfer angekündigtes Buch nicht erwähnt: Hans-Jürgen Schmelzer hat „Heinrich von Kleist Deutschlands unglücklichster Dichter: Eine Biographie“ geschrieben.

Die eigenwillige Zeichensetzung kann dabei eine Hommage an Kleists eigene, sicher nicht minder eigenwillige sein, möglich ist aber natürlich auch eine der üblichen Schlampereien bei der Amazon’schen Datenbankpflege. Das entscheidende, wirklich Schöne an dem Titel ist der Superlativ, der direktemang einer RTL-Zwanziguhrfünfzehn-Show entnommen worden sein muss, die ich leider verpasst habe.

Dabei war es sicher eine ganz großartige Sendung: Mit einem dramatischen Finale nach dem letzten Werbeblock zwischen, ichsachma, Kleist, Schiller (früh gestorben, zwar nicht durch Suizid, aber nach langer Krankheit!) und Klaus Mann. Goethe, die Hände zufrieden über dem Bauch gefaltet, schied natürlich unter lautem Gejohle des Publikums und begleitet von bissigen Kommentaren der Jury (Hans-Jürgen Schmelzer, Hellmuth Karasek, Dirk Bach) chancenlos in der ersten Runde aus. Heidi Klum und Johannes B. Kerner führten mit den immer wieder in Tränen ausbrechenden Finalisten spannende und mitfühlende Backstageinterviews mit dramatisch-authentischer Wackelkamera. Und immer aktuell eingeblendet: Die dramatisch fallenden Zahlen der Facebookfreunde der drei Finalisten in den letzten Minuten vor der Entscheidung.

Zu gewinnen gabs natürlich eine Kugel und (leihweise) einen Revolver; in den Verträgen hatten alle unglücklichen Dichter überlesen, dass sie „bis an ihr Lebensende, das RTL dem Vertragspartner kurzfristig ermöglicht, alle Rechte am Leben und insbesondere dem Sterben inkl. der Liveübertragung des Todes auf RTL übertragen“. Das ganz große Glück, dass es beim Sieger sogar zum Doppelsuizid kam, noch dazu preiswert im Berliner Umland zu produzieren, konnte man beim Kölner Sender zunächst gar nicht fassen.

Schmelzers Titel allein lässt Großartiges ahnen. Ein ganz großes Buch, doch doch, ganz bestimmt.

Über martinfueg

Martin Füg studierte Neuere Deutsche Literaturwissenschaft und Theaterwissenschaft in Bonn und Erlangen. In Erlangen gründete und leitete er gemeinsam mit Kerstin Bürger und Patrick Fuchs das Freie Theater DWARD. 1999 löste sich DWARD auf. Seit 2000 lebt und arbeitet Martin Füg in Köln. Von 2004 bis 2012 war er Vorsitzender des Bach-Vereins Köln.
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1 Antwort zu And the winner is …

  1. petra polimeno sagt:

    Hallo lieber Martin,
    vor 3 Wochen erst, habe ich den „Michael Kohlhaas“ im Theater in der Garage hier in Erlangen gesehen. Die Inszenierung des Erlanger ‚Theaters hat mir gur gefallen. Danach habe ich das Stück auch gelesen. Das Erste Stück, das ich von Kleist je gelesen habe. Hat mir richtig gut gefallen. Bisher habe ich bei Kleist immer nur an den „Zerbrochenen Krug gedacht“ und das als Volkstheater abgetan. Doch ich bin ja Gott-sei-Dank noch lernfähig. Deshalb finde ich deinen Blog klasse und werde Dich und Kleist dieses Jahr einwenig begleiten.
    Schon mal Danke
    ciao
    P.P.

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