Der Pferdehändler Michael Kohlhaas ist der Willkür eines Adligen ausgesetzt, verliert seine besten Pferde und versucht verzweifelt unter Einsatz aller Mittel, Gerechtigkeit zu erlangen. Die junge Eve wird vom Dorfrichter erpresst: Wenn sie nicht mit ihm ins Bett geht, will er nicht den angeblich angeordneten gefährlichen Militäreinsatz ihres Verlobten verhindern. Hauptmann Amphitryon und sein Diener Sosias müssen feststellen, dass sie, siegreich heimkehrend aus der Schlacht, keineswegs sehnsüchtig erwartet werden, sondern inzwischen durch bessere Varianten ihrer selbst ersetzt worden sind: Jupiter und Merkur haben sich an ihre Stelle gesetzt, und beide werden von den Göttern so lange psychisch und physisch misshandelt, bis sie nicht mehr an ihre eigene Identität glauben. Drei Geschichten, drei beunruhigende, den Alptraum streifende Muster.
Die Hauptfiguren von Michael Kohlhaas, dem Zerbrochnen Krug und Amphitryon kämpfen fast aussichtslose Kämpfe gegen die Obrigkeit, gegen den Staat, die Justiz und sogar die Götter. Kleist lotet in diesen drei Texten, die teilweise parallel, teilweise kurz nacheinander entstanden sind, Grenzen aus: Was kann ich meiner Hauptfigur zumuten an Unterdrückung, Willkür und Gewalt? Und wie kommt sie aus ihrer fast aussichtslosen Lage wieder heraus?
Im Plot von Michael Kohlhaas ist das am deutlichsten umgesetzt. Kohlhaas’ teilweise bewaffneter Kampf gegen die Obrigkeit und der eigenartige Sieg der Gerechtigkeit am Ende der Erzählung ist die Haupthandlung. Im Zerbrochnen Krug und in Amphitryon werden diese Themen im Rahmen von Komödien verhandelt, aber das macht es kaum weniger beunruhigend. Eve hat – das wundert uns wenig – kein Vertrauen zur Justiz, aber auch kein Vertrauen zu ihrem Staat. Amphitryon und Sosias, denen übel mitgespielt wird, verlieren ihr Vertrauen zu den Wesen, die die Grundmauern ihrer Welt befestigen müssten, den Göttern. Kein sicherer Ort, nirgends.
Alle drei Geschichten gehen „gut“ aus – im Fall Michael Kohlhaas werden alle schuldig gewordenen ihrer Strafe zugeführt, Eves Rupprecht erhält einen vergleichsweise sicheren Posten in den Niederlanden, und Jupiter und Merkur machen sich wieder vom Acker. Aber es ist in allen drei Geschichten zuviel kaputt gegangen, als dass ihre Protagonisten wieder zur Tagesordnung zurückkehren könnten. Kleist führt seine Heldinnen und Helden in tiefste Persönlichkeitskrisen, und es wird schwer für sie sein, nach Ende der Erzählung, nach dem Fallen des Vorhangs wieder aus ihnen heraus zu finden. Allein Kohlhaas scheint am Ende mit sich und seiner Welt wieder im Reinen zu sein – als er, für den die Gerechtigkeit wiederhergestellt ist, in seine Hinrichtung einwilligt.