Oh Gott, Kleist schreibt mal wieder über die Frauen.
O lege den Gedanken wie einen diamantenen Schild um Deine Brust: Ich bin zu einer Mutter gebohren! Jeder andere Gedanke, jeder andere Wunsch fahre zurück von diesem undurchdringlichen Harnisch. Was könnte Dir sonst die Erde für ein Ziel bieten, das nicht verachtungswürdig wäre?
Eine ziemlich willkürlich ausgewählte Passage aus Kleists Brief an Wilhelmine von Zenge vom 10. Oktober 1800 ist das, und die Litanei über das Mutterdasein als einziger Lebenszweck der Frauen zieht sich noch über, ich übertreibe nicht, Seiten.
Es ist eigenartig: Selbst wenn wir bedenken, dass Kleist auch nur ein Kind seiner Zeit war, in der für die meisten Frauen in Deutschland selten ein anderes Ziel als eine Existenz als sorgende Ehefrau und Mutter vorgesehen war – in unmittelbarer Nähe Kleists lebte eine Frau ein ganz anderes Modell, und es ist erstaunlich, wie beharrlich, ja, penetrant Kleist dieses uns heute sehr modern vorkommende Alternativmodell ausblendete.
Ulrike von Kleist, ich erwähnte sie bereits mehrfach, wollte keine Kinder, wollte nicht heiraten, wollte vielmehr selbst etwas lernen und ihr Leben mit Reisen verbringen. Ein wesentlicher Beitrag von ihr zur Geschichte ist sicher, dass sie ihren Bruder Heinrich, auch wenn er ihre Art, ihr Leben ganz ohne Ehemann selbst in die Hand zu nehmen, scharf missbilligte, geduldig bis an sein Lebensende finanziell unterstützte. Sie muss eine ungeheure Geduld mit ihrem Bruder gehabt haben, andere Menschen hätten ihn vermutlich einfach dahin geschickt, wo der Pfeffer wächst, Anlass dazu gab er genug. Ansonsten hat sie es, im Gegensatz zu Wilhelmine von Zenge, nicht einmal in Wikipedia geschafft, und ich befürchte, der Facebook-Eintrag über Ulrike von Kleist zeigt nicht die, die ich gesucht habe.
Mit Wilhelmine ist jetzt, nachdem sich Kleist am Ziel wähnt, jedenfalls Heiraten und Kinder kriegen angesagt, das ist die große Idee, die ich für Dich im Sinne habe. Das Unternehmen ist groß, aber der Zweck ist es es auch. Ich werde jede Stunde, die mir meine künftige Lage übrig lassen wird, diesem Geschäfte widmen. Das wird meinem Leben neuen Reiz geben, und uns beide schneller durch die Prüfungszeit führen, die uns bevorsteht. In fünf Jahren, hoffe ich, wird das Werk fertig sein.
Für sich selbst als Mann hat Kleist übrigens als Ziel ausgegeben, sich zu einem Staatsbürger zu bilden. Nun denn.