Die neue Kleist-Biographie von Günter Blamberger ist in der Welt, und der Waschzettel schreibt: „In seiner großen Biographie zeichnet Günter Blamberger einen neuen Kleist: Anders als üblich erzählt er nicht vom Ende her, vom Selbstmord, sondern wählt die offene Perspektive, das Präsens, den Augenblick, wie er von Kleist selbst erlebt worden ist.“ Nun lagert der 600-Seiten-Band auf meinem Nachttisch und wartet darauf, gelesen zu werden, und die Zeit bis dahin überbrücke ich mit der Frage: Geht das? Lässt sich ein Leben, das mit einer Katastrophe endete (und keiner möge mir nun mit euphemistischem, romantisierendem „Freitod“-Gequatsche kommen), quasi ergebnisoffen betrachten?Im Grunde versuche ich das bei meinem Lese- und Blogschreibprojekt auch immer wieder: Ich lese weitgehend chronologisch, ich versuche, die zuweilen seltsamen Dinge, die Kleist da in seinen Briefen fasst, mir verständlich zu machen aus den vorhergehenden Erlebnissen und Texten und Kleist zu begleiten auf seinem seltsamen Lebensweg.
Und doch lässt sich der Gedanke: Er hat sich am Ende umgebracht! nicht ausblenden. Es ist schief gegangen zum Schluss. Alle Versuche, eine Position zu finden im Leben, einen Halt, sind schließlich gescheitert. Kleists Leben ist in den Augen der Nachwelt nicht misslungen, er hat großartige, zutiefst bewegende Werke hinterlassen – aber er selbst hat sich als so überfordert, als gescheitert erlebt, dass der Suizid ihm als einziger Ausweg erschien. Nein, ich kann das nicht ausblenden.
Auch Jens Biskys Biographie konnte ich nur vom Ende her lesen, und je näher es rückte, desto bedrückender wurde die Lektüre – ich kannte ja schon die Katastrophe, mit der alles endet. Ich bin gespannt, ob sich die Lektüre von Blambergers Biographie anders entwickelt oder ob die Ankündigung des S.Fischer-Verlags im Klappentext nur Waschzetteldeutsch ist, um den Sinn einer weiteren Kleist-Biografie auf dem überfüllten Buchmarkt zu rechtfertigen.
Demnächst dazu mehr.